Im türkischen gibt es ein Sprichwort, beziehungsweise eine
Frage: „Cok gezen mi bilir, cok okuyan mi?“ – Wer hat mehr Wissen, der Studierende oder der Reisende? Ich bin mir
nicht sicher, ob ich viel studiert habe, denn das Lernen ist ein nicht endender Weg.
Doch einige meiner Freunde würden sicherlich von mir behaupten, dass ich viel
reise. Ich weiß, dass viele meine Reise, die ich vor zwei Monaten begonnen
habe, als einen sehr langen Urlaub ansehen wenn sie sich auf meinem Instagram
Profil all die touristischen Fotos anschauen. Doch für mich ist diese Reise viel
mehr als das. Für mich bedeutet sie die Welt kennenzulernen, sie zu entdecken,
mich selbst kennenzulernen und weiter zu entwickeln. Sie ist eine Reise zu mir
selbst. Zum Ende des Jahres 2016 wollte ich gerne teilen, was diese Reise mir
bis jetzt gelehrt hat und wie sie meine Augen öffnete.
Bevor es losging war in mir der Wunsch so viel wie möglich
zu sehen und an allen touristischen Aktivitäten teilzunehmen. Viel herumreisen,
viel sehen. So hat meine Reise für mich in Thailand begonnen. Leider habe ich
erst viel zu spät erkannt, dass ich beim Hetzen von einem Ort zum Nächsten so
vieles übersehen und nicht wahrgenommen habe. Wenn ich heute darauf
zurückblicke, dann ist mir von meiner Thailandreise eigentlich nur eine Sache
in meinem Kopf geblieben – Die Reise in die Unterwasserwelt – zugegeben die
beste Entdeckung meines Lebens. Doch abgesehen davon erinnere ich mich nur an
die Hektik und die Müdigkeit vom herumhetzen. Ich habe vermutlich die schönsten
Strände gesehen, im klarsten Meerwasser gebadet, wunderschöne Berge, Täler und
Seen gesehen. Habe Elefanten gestreichelt, Früchte ausprobiert, die ich noch
nie zuvor gesehen hatte und noch vieles mehr. Doch nichts davon habe ich
eigentlich wirklich genießen können. Mein Hirn, das immer noch mit der
deutschen Uhr tickte, war in so einer Unruhe. Als müsste ich eilen, als gäbe es
noch etwas zu erledigen. Es fühlte sich so an, als wäre es nicht ich, die in
diesem Augenblick reiste. Als wäre ich nur ein Zuschauer und würde das alles nicht
selbst erleben.
Erst mit der Zeit habe ich es geschafft, meine Gedanken und
mich selbst zu ordnen. Ich habe angefangen, mich selbst kennenzulernen. Ich
habe erkannt, dass jeder Reisende anders ist. Dass manche Reisende nicht länger als
eine Nacht an einem Ort sind, die meiste Zeit unterwegs verbringen und das sehr genießen. Dass wieder andere Reisende nur
für eine kurze Zeit da sind und ihren Terminkalender mit touristischen Touren
füllen. Und wieder andere, die ihre Zeit in Clubs mit Alkohol verbringen. In all
dieser Aufruhr hat es mich Zeit gekostet zu erkennen, was ich eigentlich
möchte, was ich für ein Reisender bin. Die Antwort habe ich auf den
Philippinen, in einem kleinen, ruhigen Ort gefunden, nachdem ich zwei Wochen an
ein und demselben Fleck verbracht habe. Plötzlich habe ich gemerkt, dass die
Uhren langsamer ticken. Als ich meinen Rucksack nicht direkt wieder packen
musste, nachdem ich ihn gerade erst aufgemacht hatte. Als ich bei meiner
Ankunft nicht direkt wieder planen musste, wo es als Nächstes hingeht. Als ich
begonnen habe, alles um mich herum wahrzunehmen und genauer zu beobachten. Ich
habe viel in diesen zwei Wochen gelernt und ich habe mich verändert.
Lange Zeit an einem Ort zu verbringen hat etwas Magisches an
sich. Die Einheimischen lernen dich kennen und grüßen dich beim Namen, wenn sie dich sehen. Du bekommst die Chance, sie näher kennenzulernen. Du wirst zu einem
kleinen Teil ihres Alltags und du bekommst die Möglichkeit einen kleinen Einblick
in ihren Alltag zu bekommen.
Du fängst an, deine Umgebung besser wahrzunehmen. Plötzlich siehst du was für eine lebhafte Wirkung die lila Vorhänge des Nachbarn auf sein Haus haben. Du bemerkst den Hund, den du auf dem Weg zum Strand immer an derselben Stelle liegen siehst. Du bemerkst die Wäsche, die der Nachbar von nebenan in seinen Garten aufgehängt hat. Du registrierst es. Du erkennst eine Ähnlichkeit mit den Bildern, die du aus deinem eigenen Land oder den anderen Ländern, die du bereist hast, kennst. Du nimmst die Unterschiede zwischen ihnen wahr und findest heraus was es ist, das diesen Ort auszeichnet und ihn genau zu dem Ort macht, der er ist.
Du fängst an, deine Umgebung besser wahrzunehmen. Plötzlich siehst du was für eine lebhafte Wirkung die lila Vorhänge des Nachbarn auf sein Haus haben. Du bemerkst den Hund, den du auf dem Weg zum Strand immer an derselben Stelle liegen siehst. Du bemerkst die Wäsche, die der Nachbar von nebenan in seinen Garten aufgehängt hat. Du registrierst es. Du erkennst eine Ähnlichkeit mit den Bildern, die du aus deinem eigenen Land oder den anderen Ländern, die du bereist hast, kennst. Du nimmst die Unterschiede zwischen ihnen wahr und findest heraus was es ist, das diesen Ort auszeichnet und ihn genau zu dem Ort macht, der er ist.
Während ein Ein-Tags-Tourist die Feststellung macht, dass „das Meer
hier sehr wellig“ ist, hast du das Meer schon seit Tagen beobachtet und weißt,
dass die Wellen an keinem Tag dem anderen gleichen. Dass die Stimmung des
Meeres jeden Tag anders ist. Du weißt, dass die Kinder, die jeden Abend vor der
Türe des Hostels Weihnachtslieder singen, das nicht machen um nach Geld zu betteln, sondern
weil es ihnen Spaß macht und sie dir eine kleine Freude bereiten wollen. Du
lernst sie kennen und freundest dich mit ihnen an.
Und du lernst so viel von den Einheimischen. Eines Tages
hatte die liebe „Tante Neneng“ mal wieder Wäsche gewaschen. Nicht etwa mit
einer Waschmaschine. Alles von Hand an einem kleinen Brunnen im Dorf. Nur zehn
Minuten nachdem sie die Wäsche aufgehängt hatte, begann es heftig zu regnen und
sie fing an, die Wäsche abzuhängen. Als ich zu ihr eilte, um ihr zu helfen,
habe ich innerlich geflucht, was für ein Pech sie doch hat. Doch als ich sie
sah merkte ich, dass sie im Gegensatz zu mir herzlich lachte. Als dann auch
noch eine Holzlatte, an der die Wäscheleine befestigt war, durchbrach und die
weißen Bettlacken voller Schlamm waren, regte ich mich innerlich noch mehr auf
und war total sauer. Und dann sah ich Neneng, wie sie noch viel lauter und noch
herzlicher als zuvor lachte. Sie hat sich keine einzige Sekunde darüber
aufgeregt oder war traurig darüber.
Eine ähnliche Situation habe ich in einem Kleinbus erlebt, als mitten auf dem Weg der Reifen platzte und wir eine Panne hatten. Anstatt sich aufzuregen, lachte der Fahrer und entschuldigte sich bei den Reisenden indem er mit seinem philippinischen Akzent „Sooorryyy“ sagte. Und die Einheimischen im Bus entgegneten mit lachen, anstatt sich über ihn oder die Situation aufzuregen.
In beiden Fällen habe ich mir versucht vorzustellen, wie ich reagiert hätte. Oder irgendjemand aus Deutschland. Es gibt so viel was wir von unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen Menschen und ihrem Leben lernen können. Das habe ich live erkannt.
Eine ähnliche Situation habe ich in einem Kleinbus erlebt, als mitten auf dem Weg der Reifen platzte und wir eine Panne hatten. Anstatt sich aufzuregen, lachte der Fahrer und entschuldigte sich bei den Reisenden indem er mit seinem philippinischen Akzent „Sooorryyy“ sagte. Und die Einheimischen im Bus entgegneten mit lachen, anstatt sich über ihn oder die Situation aufzuregen.
In beiden Fällen habe ich mir versucht vorzustellen, wie ich reagiert hätte. Oder irgendjemand aus Deutschland. Es gibt so viel was wir von unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen Menschen und ihrem Leben lernen können. Das habe ich live erkannt.
Dass Hab und Gut kein Glück bringt, wusste ich schon vorher.
Doch hier habe ich das miterleben dürfen. Gestern habe ich drei Kindern, die ich
auf der Straße gesehen habe, Bonbons gegeben. Sie sind vor Freude alle
aufgesprungen. Als ich mich nach einer Weile umdrehte und nach ihnen sah, sah
ich, dass sie die Farben der Bonbons verglichen und untereinander tauschten.
Sie haben die Bonbons nicht gegessen sondern mit ihnen gespielt. Die Freude,
die Kinder mit Bonbons erleben, erleben Erwachsene hier mit einem netten
Gespräch oder ein paar netten Worten. Dann habe ich mich an die Bilder
erinnert, die ich aus Deutschland oder der Metro in Istanbul kenne. Alle haben
das neuste Smartphone in der Hand, Marken-Sneaker an den Füßen, aber jeder ist
unglücklich. Alle schauen griesgrämig und haben kein Lächeln für andere übrig.
Wie kommt es, dass Menschen, die so viele Gründe dafür hätten, unglücklich zu
sein, es trotzdem schaffen ständig zu lächeln und wir das einfach nicht
hinkriegen, obwohl es uns so gut geht?
Es gibt noch so viel, was ich in dieser kurzen Zeit meiner
Reise gelernt habe. Diese sind nur einige Erfahrungen, die ich teilen wollte.
Für das neue Jahr wünsche ich mir noch mehr zu lernen, noch besser sehen zu
können. Auch wenn diese Reise manchmal hart ist weiß ich, dass sie mir so viel
schenkt und ich hoffe, dass das auch weiterhin so bleibt. Ich hoffe, dass ich
die Dinge, die ich hier gelernt habe nicht vergesse und auch in Deutschland,
wenn ich wieder in meinem Alltag stecke, anwenden kann.
Wenn du das hier gerade liest: Schaue dir die Welt im neuen
Jahr mit weiter geöffneten Augen, mit einem kindlicheren Herzen und mit einem
stärker lächelnden Gesicht an. Verteile ein Lächeln und Freundlichkeit in einer Welt in der sowie
schon viel zu viele Dinge passieren, die wir nicht ändern können. Und sieh dir
dann an, wie alles Schöne zu dir zurückkehren wird.
Ein frohes Neues Jahr euch allen!